Stell dir vor, du bist 7 Tage auf einer Trekkingtour, davon regnet es sicher 5 Tage. Deine Kleider sind alle angefeuchtet bis nass, deine Schuhe lassen die Feuchtigkeit auch auf der Innenseite zu, das Geschirr wird vom Regen vorgespült und du stellst auch am Mittag dein Aussenzelt auf, damit du an einem einigermassen trockenen Ort kochen und essen kannst. In dieser Situation lassen sich tolle Momente feiern. Es werden Witze erzählt, Speck gebraten, Liegematten ausgeliehen, Schönheiten der Natur entdeckt, Kaffee genossen und gebadet im Bergsee.
Eine Situation, die mir in guter, herausfordernder Erinnerung geblieben ist, möchte ich hier aus individualpsychologischer Sicht betrachten. Mein Zeltpartner und ich suchen den geeigneten Platz für die Übernachtung. Es regnet, das Zelt ist noch immer nass und wird es auch bleiben. Welcher Liegeplatz wird ausgesucht, wenn du die vier Charaktereigenschaften (eigenständig, konsequent, beziehungsorientiert und unkonventionell) betrachtest?
E | Ich nehme den Erstbesten, das wird ausreichen. Mein Ziel ist möglichst rasch alles am «trockenen» zu haben. |
K | Der Erstbeste ist zu schräg, es muss etwas Besseres geben. Der zweite hat zu viele spitzige Steine und von der Seite kann das Wasser ins Zelt dringen, der Dritte ist zu klein, der vierte … Ach, ich weiss nicht wo ich liegen soll. |
B | Ich möchte da liegen, wo alle sind. Mein Zeltpartner soll auswählen, was der richtige Platz ist. Ich bin zufrieden damit. |
U | Egal wo wir schlafen, es ist und bleibt mein Abenteurer. Auch wenn es nicht optimal ist, ich arrangiere mich. |
Der Platz ist definiert und das Aussenzelt steht. Als ich das Innenzelt einhänge entdecke ich auf der einen Seite einen grossen Stein, der ein bequemes Schlafen für konsequente Personen erschwert. Für meinen Zeltpartner ist Konsequenz und Richtigkeit wichtig und diese kommt mir in dieser Situation in die Quere.
Was überlege ich mir und was unternehme ich jetzt?
In deinen täglichen Entscheidungen treten alle vier Charaktereigenschaften auf. Je nach Ausprägung sind deren Lautstärke und Bestimmtheit stärker. Auf die neue, geänderte Situation mit dem Stein könnten verschiedene Aussagen entstehen. Ich fordere dich auf. Welches ist deine Aussage? Du bist aufgefordert deine Aussage zu suchen und wenn sie hier fehlt, schreibe dir diese auf.
E | Ich will den Stein nicht auf meiner Seite, der Platz ist gewählt.
Ich wähle die Seite, die bequemer ist. Was geht mich die Angelegenheit des Anderen an. Ich will nicht nochmals von vorne anfangen. Das muss einfach funktionieren. Ich bin bereit, auf der Steinseite zu schlafen, Hauptsache wir verschieben das Zelt nicht mehr. |
K | Ich werde die Lage rund ums Zelt analysieren und schauen ob es einen besseren Ort hat.
Ich versichere mich beim Andern, dass er auf der Nichtsteinseite schlafen wird. Ich bin nicht bereit unbequem zu schlafen, ich brauche eine gute Nacht. |
B | Ich werde auf dem Stein schlafen, ich möchte meinem Gegenüber keine schlechte Nacht, kein erneutes Umstellen vom Zelt, oder noch mehr Ärger einbringen.
Ich möchte gemeinsam eine Lösung finden, die allen passt. |
U | Ich lasse es mir offen, wo sich schlafe. Der Andere soll feststellen, dass der Stein drückt und er soll sich melden.
Ich nehme mir die Freiheit und wähle für mich. |
Mein inneres Ringen findet genau gleich statt. Als eigenständige, freiheitsorientierte Persönlichkeit war meine Entscheidung schnell gefällt. Schnell und ohne grossen Aufwand ans Ziel. Auch ein grosser Stein kann entfernt werden. Ein Loch unter einer Liegematte ist verträglicher als ein Stein. Damit ich mit meinem Gegenüber keine Diskussionen mehr führen und das Zelt nicht mehr verschieben musste, entschied ich mich für die «Lochseite».
Das war meine Entscheidung und diese hatte Konsequenzen für mich.
Überlege dir Antworten auf die folgenden Fragen, welche deine getroffenen Entscheide betreffen. Entscheidungen bringen entsprechende Konsequenzen mit und manchmal suchst du nach Erklärungen, Ausreden, brüstest du oder machst dich selbst klein.
- Welche Aussagen machst du nach der Entscheidung?
- Welche Ausreden legst du dir zurecht?
- Wem gibst du die Verantwortung?
- Wer oder was trägt die Schuld am Moment nach der Entscheidung?
- Welche (klärenden) Worte braucht es in der Situation?