Du hast Ungewissheit ganz bestimmt auch schon erlebt. Dein Lebensweg führt dich in eine Gegebenheit, die du nicht umgehen und gleichzeitig nicht einschätzen kannst. Mathematiker würden sagen: „Es gibt zu viele Unbekannte im System.“ Ungewissheit macht sich breit. Das ist die Situation, in der ich Kathrin begleite und der Frage nachgehe: «Wie reagiere ich in dieser Situation?»
Kathrin spricht in ihrer Frage bereits etwas an, das in uns Menschen ein Unbehagen auslöst. Sie spricht von Reagieren. Da passiert etwas, und wir Menschen sind gezwungen, darauf zu reagieren. Die meisten von uns wollen jedoch aktiv sein, bestimmen, vorausdenken, einen Schritt voraus sein und agieren. Beim Reagieren fühlen wir uns, als wären wir bereits einen Schritt zu spät. Wir wollen sein wie Spieler, die ein Spiel gut lesen können, sind im Vorteil: Sie sind gleichauf oder sogar einen Schritt voraus.
Da uns das nicht immer gelingt, versuche ich aufzuzeigen, wie wir auch in einer Reaktion gute Handlungen erzielen können. Denn Ungewissheit kann im schlimmsten Fall zu Entscheidungs- und Handlungsunfähigkeit führen. Dabei reagieren wir oft mit Stress oder Schreck. Wie ein Reh verschwinden wir im dunklen Wald oder erstarren bewegungslos.
Eine ungewisse Situation steht bevor, und du kennst Tag und Zeit. Es ist ungewiss, weil vieles unklar bleibt. Was könntest du tun? Du kannst dich innerlich auf verschiedene Szenarien vorbereiten und verschiedene Lösungsansätze zurechtlegen. Lass darin andere Personen wie in einem Theaterstück mitspielen und weise ihnen eine Rolle zu. Versuche herauszufinden, was das Ziel dieser anderen Personen ist und welche Kompromisslösung möglich sein könnte. So hast du in der Situation selbst mehrere Handlungsansätze, die dir dienen können. Doch in dieser Vorgehensweise sehe ich zwei gefährliche Punkte:
- Personen können anders reagieren, als du es dir vorstellst, wünschst oder so viel erlebt hast.
Oft drücken wir andere in ein Schema und erwarten, dass sie gemäß unserer Wahrnehmung handeln. Andere Personen möchten sich dienlich einbringen, auch wenn wir das nicht sehen. Löse dich von diesen starren Vorstellungen und gib die anderen Personen frei. Wenn dir das nicht gelingt, kann es wie in der Geschichte von Watzlawick und dem Hammer zu Missverständnissen kommen. - Keine deiner Handlungsoptionen passt auf die Situation.
Das kann ein beklemmendes Gefühl auslösen, das dir sagt, dass du schlecht oder unvorbereitet bist. Dein innerer Motor gerät noch mehr ins Stocken und blockiert.
Viel zu oft sind ungewisse Momente plötzlich da – ohne Chance zur Vorbereitung, Meinungsbildung oder Verteidigung. Was kannst du dann machen? Wenn du nicht Pilot bist oder dich in einer gefährlichen Situation selbst am Steuer eines Fahrzeugs befindest, kannst du dir eine Verschnaufpause nehmen. Innehalten, bevor du entscheidest. Innehalten und durchatmen.
Vielleicht denkst du jetzt: «Aber ich muss doch eine Lösung liefern!» Dazu zwei Argumente:
- Vorgesetzte wünschen sich weise Mitarbeitende. Weisheit entsteht nicht in Hektik. Überzeuge mit Besonnenheit, klarer Formulierung und dem Vertreten deiner Werte.
- Übergangene Mitarbeitende werden entmutigt. Wenn du für dich, deine Werte und deine Handlungen einstehst, gehst du mit einem gesunden Selbstwertgefühl durchs Leben. Das ist mutiger als blitzschnelle Entscheidungen, die entmutigen.
Was packst du für deine nächste Ungewissheit in deinen Rucksack?