Ich treffe Joel im Zug, als wir beide an derselben Haltestelle aussteigen. Wir kennen uns seit Längerem, doch unser letztes Treffen liegt etwa zwei Jahre zurück. Damals war er mit seiner Arbeit unzufrieden und suchte nach einem Wechsel. In der Zwischenzeit hat sich bei ihm viel verändert. Er konnte diesen Wechsel vollziehen und trägt seither deutlich mehr Verantwortung. Ich frage ihn: «Wie geht es dir mit der neuen Aufgabe?»

Es ist ein kurzes Gespräch, Joel möchte gleich weiter. Er verabschiedet sich und sagt im Weggehen: «Ach weisst du, das Leben ist ein Kompromiss.» Ich gehe weiter und frage mich: Wie zufrieden ist Joel wirklich mit dem Wechsel?

Das Wort Kompromiss verwenden wir im Alltag häufig und oft falsch. Was verstehst du unter einem Kompromiss? Ist es:

  • Hauptsache, alle sind meiner Meinung!
  • Ich muss mich verleugnen, damit eine Lösung möglich wird!

Das sind die beiden Extreme. Ein echter Kompromiss bedeutet: Alle Beteiligten verlassen ihre Extrempositionen. Ziel ist es, eine Einigung zu finden, die für alle annehmbar ist. Idealvorstellungen und Perfektion werden dabei aufgegeben.

Aber kann das Leben seine Position verlassen? Einen Schritt auf uns zugehen oder gar aktiv etwas unternehmen? Das mag eine ketzerische Frage sein, doch genau das wünschen wir uns insgeheim. Dass uns das Leben mit Freuden zufliegt. Meistens stellen wir in unserer Unzufriedenheit fest: Das Leben ist nicht fair. Vielleicht ist es ein grundlegendes Gefühl, dass es besser sein sollte. In diesem Gefühl argumentieren wir, hoffen auf Veränderung und sehnen uns nach einem Wunder.

Frag nicht, wie’s mir geht.

Manchmal stelle ich mir vor, dass das Leben mir entgegenkommt, leicht und freundlich. Aber gerade jetzt fühlt es sich nicht so an. Ich kämpfe. Ich investiere viel, nur um den Alltag zu meistern. Und wenn jemand fragt, wie es mir geht, ist die Antwort nicht einfach. Mein Leben ist ein täglicher Kraftakt, trotz Erschöpfung, Druck und innerer Leere weiterzugehen.

Oder da draussen gibt es viele Menschen, die mir das Leben schwer machen. Es sind nicht die Umstände, es sind die anderen. Menschen, die nicht zuhören und mich nicht verstehen. Ich wünsche mir Erleichterung, nur ein kleines Stück Frieden.

Vielleicht will ich gestalten, verändern, etwas beitragen. Doch immer wieder stosse ich auf Granit. Ich fühle mich nicht willkommen. Und dann frage ich mich: Muss ich mich anpassen, obwohl es mich innerlich zerreisst?

Mit dem Leben im Konflikt zu sein, ist wie gegen den Wind zu kämpfen. Es ist laut, aussen wie innen. Die Gedanken wirbeln durcheinander, und selbst wenn du schreist, hörst du dich selbst nicht. Es ist ein Leben im Konflikt und der übertönt das, was du eigentlich brauchst.

Willst du wirklich wissen, wie es Joel (jemandem) geht?