In der Projektwoche lerne ich Armin kennen. Er ist ein 12-jähriger Junge und ist das erste Mal dabei. Für mich ist diese Woche jedes Jahr fest im Kalender: Wir trainieren mit Jugendlichen die Basics des Mountainbiking. Wer teilnimmt und welche Vorkenntnisse sie mitbringen, ist für mich jedes Mal eine Überraschung.
Armin bringt von Anfang an viel Motivation und Eifer mit. Bei den Skills sagt er selbst, dass er Anfänger ist und lernen will. Ich freue mich zu sehen, wie er Korrekturen aufsaugt und umsetzt. Trotzdem gibt es täglich Situationen, in denen ich auf dem Trail laut «Stopp!» rufen muss: Das Bike schlägt unkontrolliert, schleudert und hüpft wie ein wildes Pony. Armin sitzt auf dem Sattel oder sogar dem Oberrohr, die Füsse haben den Kontakt zu den Pedalen verloren. Auf mich wirkt er überfordert.
Ich fahre mehrfach hinter ihm, beobachte genau und suche nach Verbesserungsmöglichkeiten, um seine Fahrten sicherer zu machen. Dann fällt es mir auf: Sein Schwerpunkt liegt zu weit vorne und er steht mit dem Mittelfuss bzw. dem Fussgewölbe auf den Pedalen. Dann, nach einer Bodenwelle verliert er erneut den Pedalkontakt. Das ist eine denkbar ungünstige Position und seine Fahrweise bestätigt das.
Nach den actionreichen Vormittagen kehrt nachmittags wieder Ruhe ein und ich habe Zeit, meine Gedanken zu verarbeiten. Das Bild von Armin und seiner fehlenden Standfestigkeit lässt mich nicht los. Aus meiner Erfahrung in der Arbeit mit Menschen sehe ich drei Parallelen, die auch im Leben ausserhalb des Trails hilfreich sein können:
Wie stabil stehst du im Leben? Bringen dich die Schläge und Stösse des Alltags so aus dem Tritt, dass du ins Schleudern kommst? Vielleicht ist «Schleudern» zu hart ausgedrückt. Vielleicht ist es eher das dumpfe Gefühl, nicht zu wissen, wie der Tag endet. In beiden Fällen kann ein Blick von aussen helfen, deine Standfestigkeit zu prüfen und zu verbessern. Wie bei Armin können schon kleine Korrekturen zu einer deutlich stabileren Position führen.
Wie sehr hast du dich an dein «wildes Pony» gewöhnt? Armin hat viele unsichere Situationen schon irgendwie gemeistert und sein Gehirn hat sie trotz Risiko als fahrbar abgespeichert. Die Grenze zwischen Erfolg und Sturz lag bisher oft zu seinen Gunsten, doch das war pures Glück. Wenn ich ihn stoppe, schaut er mich manchmal ungläubig an und kann es nicht verstehen. Ist dein Leben wild und hüpfend wie ein Pony? Kannst du in deinem Leben eine hoffnungsvolle Zukunft klar erkennen oder ist es ungewiss?
Mit welchem Eifer verfolgst du deine Ziele? Bei Armin ist die Einsatzbereitschaft riesig. Schleudert sein Bike, kämpft er mit aller Kraft, um nicht zu stürzen. Doch zu viel Anspannung kann dazu führen, dass man Fehlhaltungen und ungünstige Verhaltensmuster trainiert. Ist es das was du machst? Frage dich: Halte ich krampfhaft fest und trainiere damit unbewusst mein eigenes Fehlverhalten?
Welcher dieser drei Transfers nimmst du für dich mit auf dein Bike und in dein Leben?