«Spass muss verdient sein.» Das sagt mir Markus und fährt neben mir auf dem Bike. Ich habe ihn kurz zuvor eingeladen, mit mir im Sommer in den Alpen mit Seilbahn und Bike zwei tolle Tage zu verbringen. Markus kann dem Mountainbikesport in den Alpen mit den Bergbahnen nichts abgewinnen und würde die Höhenmeter lieber pedalieren. Spannend wird es, als ich ihm  die Frage stelle: «Wie sieht es im Winter aus, wenn du mit dem Snowboard auf den Pisten unterwegs bist? Muss man sich den Spass nicht erst verdienen?»

Wenn ich solche Fragen stelle, geht es mir nicht darum, jemanden in Verlegenheit zu bringen. Ich möchte damit entlarven. Ich will Ideen und Lebensmuster verstehen. Aus unseren Erfahrungen bilden wir uns eine Meinung und für diese stehen wir ein. Oft ist unsere Meinung logisch und korrekt. Wir merken nicht, wenn diese nicht konsistent ist. Mit konsistent meine ich durchgängig. Wir schaffen es, die Spielregeln im Spiel des Lebens unseren Umständen, unserem persönlichen Verhalten und unseren Wünschen anzupassen und diskreditieren damit andere. Wir merken nicht, wenn wir uns selbst in die Tasche lügen und unterschiedliche Massstäbe anlegen oder von anderen die Einhaltung der Regeln verlangen.

Markus kann als Snowboarder beruhigt die Bergbahn nehmen, Biker müssen in die Pedale treten. Leider habe ich nicht nachgefragt, wie er es mit Elektrounterstützung hält. Da gibt es auch die Meinung, dass diese auf dem Arbeitsweg erlaubt ist und im Spassbereich gefälligst getreten werden muss.

Ich kenne diese Beispiele auch von mir. Auch in meinem Repertoire gibt es Meinungen oder Regeln, die für alle gelten, und ich habe meinen Sonderzug. Ein Beispiel hat mich meine älteste Tochter in den letzten Wochen gespiegelt. Wir haben Handyregeln aufgestellt und sie hat mir gesagt, dass ich das für mich anders auslege. Jetzt bin ich entlarvt. Mir fehlen die Worte und ich bringe keinen Ton mehr heraus.

Beide Geschichten weisen auf dasselbe hin. Wir Menschen haben mit unseren Regeln und Vorstellungen blinde Flecken, die uns erst bewusstwerden, wenn sie uns jemand aufzeigt. Wir nehmen sie nicht als solche wahr, weil sie für uns normal sind. Unser Umfeld nimmt sie wahr und kennt sie. Meine persönliche Offenheit und Bereitschaft zur Reflexion entscheiden darüber, ob ich einen solchen blinden Fleck als solchen erkenne, ob es sich um unnötige Nörgelei, Kritik oder gar um einen Angriff handelt. Vielleicht ist es auch Scham, die hindert, einen blinden Fleck zu entdecken.

Vielleicht magst du dich darauf achten, was du sagst, wann du von anderen einforderst, sich an eine Regel zu halten oder gefälligst in der Spur zu bleiben.

Wie offen bist du für Blicke auf deine blinden Flecken?